„Auch Kulttrainer Neururer spielt mit“

„Auch Kulttrainer Neururer spielt mit“

Die Erste 23.03.2021

Fußball: Eine Woche mit Mario Lüke beim Drittliga-Aufsteiger SC Verl. Der ehemalige Radio-Moderator 
und Trainer der Spvg. Steinhagen ist als Leiter Marketing, Medien und Kommunikation ins Profigeschäft eingestiegen.  

Von Stephan Arend

Altkreis. Die Gegner heißen nicht mehr Rödinghausen, Homberg oder Lotte,  sondern Dynamo Dresden, 1860 München oder MSV Duisburg. Der Aufstieg des SC Verl in die 3. Liga hat auch das (Berufs-) Leben von Mario Lüke  auf den Kopf gestellt. Nach 14 Jahren als Radio-Moderator ist der Ex-Trainer der  Spvg. Steinhagen nun in den Profifußball gewechselt. Der 33-Jährige ist beim Neuling hauptamtlich als Leiter Marketing, Medien und Kommunikation   tätig.
Schlaflose Nächte hat Lüke nach den ersten Gesprächen mit den Verler Verantwortlichen nicht gehabt. Zum einen habe ihn sein Job beim Radio nicht mehr so gepackt wie früher. Zum anderen sei die Aufgabe beim Sportclub zu reizvoll gewesen, um das Angebot auszuschlagen: „Das hätte ich später ganz sicher bereut.“ Sportlich ist Verl zuletzt  „durch die Decke geschossen“, wie es Lüke, der schon als Jungspund Stadionsprecher beim Sportclub war, formuliert. Doch auch abseits des grünen Rasens muss ein Verein sich entwickeln, um dauerhaft im Profifußball mitzumischen. „Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, dass sich der SC Verl in der 3. Liga etabliert“, hat Mario Lüke bei seinem Amtsantritt im Sommer versprochen. Was das genau bedeutet und warum er die Meisterschaftsspiele seiner Mannschaft nun mehr genießen kann, das verrät ein Blick in den Terminkalender des Steinhagener Aufstiegstrainers von 2019 - eine Woche mit Mario Lüke beim Profiverein SC Verl in der 3. Liga.

Montag
 Der SC Verl, der von mehr als  100 zumeist regionalen Partnern unterstützt wird, möchte auch in Liga drei bodenständig und nahbar sein.  Der Aufsteiger hat den kleinsten Etat in Liga drei. Bei der Suche nach neuen Sponsoren erhofft sich  Lüke auch an diesem Tag nicht nur mit Logos von Sponsoren  auf der Vereinshomepage, Social Media Posts und  Werbeanzeigen im Stadionheft zu punkten. Er kann auch  große Zahlen ins Spiel bringen.  Die Verler Partien werden auf Magenta-Sport   von 50.000 TV-Zuschauern verfolgt. Die Ausschnitte in der ARD-Sportschau ab 18 Uhr sehen fünf Millionen Fußball-Fans. Da kann es sich für ein Unternehmen lohnen, Werbeflächen im Stadion zu belegen. Mal ergreift Lüke die Initiative und greift zum Hörer. Mal bekundet ein Unternehmen von sich aus Interesse. „Vielen Firmen geht es auch darum, sich zu vernetzen, untereinander Kontakt zu haben“,  sagt Lüke und verweist auf die Sponsoren-App des Vereins. Vielleicht erschließen sich ja   auch  für  den neuen Partner, der Masken herstellt,  so neue Absatzmöglichkeiten.

Dienstag
 „Wir wissen, wo wir herkommen und dass sich kaum jemand aus Paderborn oder Bielefeld ein Verler Trikot anzieht“, sagt Lüke. Umso wichtiger ist die Nähe zu den Fans vor Ort und den eigenen Nachwuchskickern. Einer davon ist Emanuel, der selbst für den SC  Verl in der G2 spielt, und eine Videobotschaft für  Kasim Rabihic aufgenommen hat. „Ich drücke euch die Daumen für morgen gegen Ingolstadt.“ In Verl werden solche Aktionen der Fans von den Spielern beantwortet. Emanuel strahlt, als ihm Mario Lüke ein Video des Lieblingsspielers weiterleitet: „Hallo Emanuel, wenn ihr wieder spielt, dann schaue ich gerne auch mal bei euch zu.“ Ein Versprechen, das wirklich eingehalten werden soll. Lüke: „Unsere Spieler haben feste Patenschaften für eine Jugendmannschaft, bei denen sie Trainingseinheiten leiten, ihr Wissen weitergeben und immer wenn möglich auch mal bei den Spielen am Samstagmorgen vorbeischauen sollen.“ Und in Zeiten, in denen Corona kein Spielverderber mehr ist,  sind zudem Kooperationen mit Schulen geplant. Ein Profi besucht am Mittwoch eine Klasse, die dafür am Samstag im Stadion dabei ist. So kann man neue Fans gewinnen. Und wie verhindert man, dass Anhänger die Nähe zum Verein verlieren, wenn keine Zuschauer ins Stadion dürfen? Mario Lüke  erzählt von einem virtuellen Treffen. „Die Fans konnten Spieler und Trainer 90 Minuten mit ihren Fragen löchern. Das ist gut angekommen.“

Mittwoch
Die Sportclub Arena ist ein Schmuckstück. Doch nicht zuletzt das Fassungsvermögen ist zu klein für die 3. Liga. Weil zu Corona-Zeiten ohnehin kaum oder keine Zuschauer zugelassen sind, darf der SC viele Heimspiele mit einer Ausnahmegenehmigung an der Poststraße austragen. Die Nachholpartie gegen Ingolstadt wird aber in Paderborn  angepfiffen. Für die Fernseh-Übertragung beim Abendspiel   strahlt das Flutlicht in Verl aber nicht hell genug. So richtet  sich Mario Lüke im VIP-Bereich der Arena des Nachbarn für diesen Tag ein mobiles Büro ein und  hat als Ansprechpartner vor Ort ein Auge auf den ordnungsgemäßen Ablauf der Partie. Schon sechs Stunden vor dem Anpfiff müssen zum Beispiel 35 Ordner das Stadion bewachen. Später geht es auch darum, die zehn Delegierten der Heimmannschaft und die fünf Delegierten aus Ingolstadt zu betreuen. Es  versteht sich von selbst, dass der  Marketingleiter auch  darauf achtet, dass die Werbemaßnahmen wie verabredet eingehalten werden. Als die Partie  um 19 Uhr angepfiffen wird, entspannt sich Lüke: „Natürlich fiebere ich auch mit. Als Trainer war ich aber viel emotionaler, weil ich mich ja sportlich verantwortlich gefühlt habe und Einfluss auf das Spiel nehmen wollte.“ Doch mit der Ruhe auf der Tribüne ist es schon nach zwei Minuten vorbei. Verls Mikic sieht wegen einer angeblichen Notbremse die Rote Karte - eine zu harte Entscheidung findet auch Mario Lüke und geht kurz aus dem Sattel. Dass Verl trotz der Unterzahl ein 1:1 erkämpft, das sorgt auch noch für gute Laune, als Lüke um 22 Uhr sein Zuhause in Schloß Holte erreicht: „Klar, war das ein langer Tag. Doch es ist schön, im Profifußball zu arbeiten - und anders, als 14 Stunden im Büro zu sitzen.“
Donnerstag
Ein Gespräch mit dem Verwaltungsrat steht an. Es geht um eine Prognose, mit welchem Etat der Sportclub in der nächsten Saison planen kann. Zu Corona-Zeiten, in denen auch Unternehmen Sorgen haben, ist es ein sensibles Thema, bei neuen potenziellen Partnern vorzusprechen. Zudem kann  Lüke nach Geisterspielen nicht auf den emotionalen Rückenwind wie etwa nach den Pokalsensationen in der Vorsaison gegen Augsburg und Kiel bauen: „Unser kleines, smartes Stadion ist explodiert, Gänsehaut-Stimmung.“
Das bedeutet aber keineswegs Stillstand bei der Sponsoren-Akquise. Es gibt einen Interessenten, der für das Heimspiel gegen Duisburg Werbung auf der LED-Bande machen möchte. Das Problem: Diese Partie findet in Verl und somit ohne LED-Möglichkeit statt. Doch Lüke überzeugt den Kunden vom Vorteil eines PVC-Werbebanners, der bei der Liveübertragung im WDR 90 Minuten sichtbar ist. Ein Vertrag muss aufgesetzt und unterschrieben, der Banner produziert werden.
Freitag
Auch die Sponsoren hatten im November die Möglichkeit, sich mit den Spielern per Videokonferenz auszutauschen.  Doch wie drückt man als Verein sonst noch Wertschätzung für seine Partner aus, die bei den Spielen nicht im Stadion dabei sein dürfen? Mario Lüke   hat sich eine digitale Weinprobe ausgedacht. Die Sponsoren haben vom Verein zuvor ein Paket mit vier Flaschen Wein erhalten, darunter ist auch der 1924er Sportclub Wein. An diesem Abend sitzt  Lüke mit einem Weinfachmann im Café Europa, das in ein kleines TV-Studio umgewandelt worden ist. Zugeschaltet sind nicht nur die Sponsoren, sondern auch Überraschungsgast Peter Neururer, der aus dem Fußball-Nähkästchen plaudert und ebenfalls mit anstößt. Beim Quiz drehen sich viele Fragen um den Kulttrainer, der sichtlich in seinem Element ist, auch über Schalkes Niedergang philosophiert und  für diese besondere Veranstaltung zwar vier Flaschen Wein, aber keine finanzielle Zuwendung bekommt. „Der Quiz-Sieger hat 14 von 16 Fragen richtig beantwortet“, staunt Lüke, der den Abend moderiert. Die Belohnung: Der Verein spendiert eine Auswärtsfahrt in der nächsten Saison mit Übernachtung. 

Samstag
Ein Auswärtsspiel steht für den SC Verl auch in Lübeck im Stadion Lohmühle an. Mario Lüke und seine Begleiter nutzen  die Fahrt zu einem kurzen Abstecher an die Küste und lassen sich in Scharbeutz ein Fischbrötchen schmecken: „Ich versuche, möglichst viele Auswärtsspiele mitzumachen. Ich will Kontakte zu meinen Kollegen knüpfen, Ideen sammeln und sehen, wie die anderen Vereine ihre Heimspiele vermarkten.“
Das Spiel beim Vorletzten endet 2:2. Vor einigen Wochen hat Verl vorsorglich die Lizenz für die 3. Liga, 2. Liga und Regionalliga eingereicht. Nun zweifelt niemand mehr an ein weiteres Jahr in Liga drei. Vielleicht  wird dieser eine Punkt im Norden noch einmal im Kampf um Platz vier wichtig, der den  direkten Einzug in die DFB-Pokal-Hauptrunde garantiert. Und gegen weitere Sternstunden hätte Mario Lüke, der die letzte Verler Pokalpartie gegen Union Berlin im Februar live im Radio übertragen hat, nichts einzuwenden.

Sonntag
Seinen freien Tag nutzt Mario Lüke für eine längere Laufeinheit von Schloß Holte nach Bielefeld. Sein persönliches sportliches Ziel verfolgt er abseits des Rasens. Wenn im Oktober der Hermannslauf wirklich über die Bühne geht, möchte er dabei sein. Der Weg ist das Ziel. Lüke läuft mit Leidenschaft 50 bis 70 Kilometer in der Woche und wird auch  beim Blick auf die Waage für seinen Trainingsfleiß belohnt:  „Seit Weihnachten habe ich 13 Kilo abgenommen.“

 

Cookie-Hinweis

Diese Website verwendet Cookies gemäß unserer Datenschutzerklärung, um Ihr Nutzererlebnis zu verbessern. Weitere Details zur Nutzung und Deaktivierung von Cookies erfahren Sie hier.

Einverstanden

Cookie-Informationen

Diese Internetseite verwendet Cookies, um die Nutzererfahrung zu verbessern und den Benutzern bestimmte Dienste und Funktionen bereitzustellen. Es werden keine der so gesammelten Daten genutzt, um Sie zu identifizieren oder zu kontaktieren.

Cookies sind kleine Dateien, die lokal auf Ihrem Computer gespeichert werden. Diese Dateien können keinen Schaden an Ihrem Computer anrichten.

Besuchen Sie die Internetseite des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, um mehr über Cookies und lokalen Speicher zu erfahren.

Wenn Sie keine Cookies durch diese Website speichern lassen möchten, können Sie dies direkt in Ihrem Browser einstellen. Wie dies für Ihren Brwoser funktioniert, erfahren Sie bei Klick auf den jeweiligen, nachfolgenden Button.